Vor einigen Wochen wartete ich mit dem Auto ein paar Minuten auf meine Familie und ich konnte nur am Rande einer Busstation stehen bleiben. Ich behinderte niemanden, ein Bus war nicht in Sicht. Aber im Rückspiegel sah ich einen Polizisten forsch auf mein Auto zukommen, der mich in lautem, heftigste Ton anwies : „Sie haben da nicht zu stehen!!“ Auf wienerisch: „Sie hom da net zu steh’n!!“ Seine Augen funkelten und er wirkte sehr, sehr böse. Es durchzuckte mich am ganzen Körper und ich entschuldigte mich (sogar etwas unterwürfig), erklärte ihm, dass meine Familie schon da ist und ich niemanden behindere. Ich kam ohne Strafmandat davon, aber seine geballte Aggression war noch einige Zeit zu spüren und es gelang mir nicht so schnell, diese abzuschütteln. Sogar am am nächsten Tag kam mir die Szene immer wieder unangenehm in den Sinn. Ich begann ein ‚The Work-Arbeitsblatt‘ über ihn auszufüllen und dann tauchte plötzlich eine ganz alte Situation aus meiner Kindheit im Katholischen Klosterinternat auf. Ich war damals zirka zwölf Jahre alt und und zwei Freundinnen und ich hatten im Klostergarten im ersten Schnee eine Schneeballschlacht gemacht. Nachdem unsere sehr strenge Erzieherin beim Fenster Öffnen die Spuren im Schnee sah, wurden wir sofort zur ‚Schwester Oberin‘ zitiert. Diese erklärte uns, dass dort Frühlingszwiebel gesetzt sind und wir diese schändlich zertreten haben. Wir mussten uns ewig lang bittere Vorwürfe anhören, weil wir hier hätten nicht spielen dürfen. Wir galten schlecht erzogene, ungehorsame Kinder. Wir fühlten uns wie Angeklagte. Es ging noch monatelang weiter, unsere Eltern wurden vorgeladen und es nützte nichts, dass sie bereit waren, den Schaden für die Frühlingszwiebel zu ersetzen. Es gab keine Gnade für uns und unser Vorgehen war unverzeihlich. Sie hatten uns ständig im Auge und jeder kennt das bedrückende Gefühl, zu denen zu hören, die vom vom Lehrer nicht gemocht werden.
Ich hatte diese Situation schon einmal bearbeitet, aber durch den anklagenden Ton des Polizisten, hatte sich etwas in mir aktiviert, was noch voller emotionaler Ladung war. Ich füllte ein weiters Arbeitsblatt zu dieser Situation nach der Schneeballschlacht aus: „Sie sollten sehen, dass wir einfach nur Kinder sind, die Spaß im Schnee haben wollen.“ „Sie sollten sehen, dass wir nichts Schlimmes getan haben.“ Wie ähnlich waren diese Gefühle zur Situation mit dem Polizisten. Nachdem ich The Work gemacht hatte und auch mit Klopfakupressur gearbeitet hatte, war mir leichter und ich hatte Mitgefühl und viele tröstende Worte für die kleine Zwölfjährige von damals. Ich war sehr berührt und Tränen kamen. Was die Autoritätspersonen anbelangt, konnte ich etwas Verständnis entwickeln. Sie wollten uns zu guten Menschen hinbiegen und haben sich selbst verbogen. Welch strengen inneren Dialog hatten sie wohl mit sich selbst. Mit welchen Ängsten, etwas falsch zu machen und mit welchem Gottesbild waren sie wohl aufgewachsen.
Ein paar Monate später nach diesem Vorfall im Schnee erfuhren wir, dass dort gar keine Frühlingszwiebel gesetzt waren und im Frühjahr Stiefmütterchen hingepflanzt wurden. Niemand sagte uns das.
Es tut gut, diese alten Wunden zu heilen und die belastenden Gefühle aus dem Körper zu bringen. Ich bin dankbar für all diese Methoden, die mir so schnell Erleichterung bringen. Wenn ich an den Polizisten zurückdenke fühle ich mich wie in einem Österreichischen Krimi und ich amüsiere sich sogar etwas. Er könnte Josef Hader oder Roland Düringer sein. Was, wenn wir hier alle nur einen Film miteinander drehen.